Erwin Wagner
Hubert Aichler
Marketingagentur für
die Automobilwirtschaft
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Rabatte wirken wie Kokain
Der Mediziner und Neurowissenschaftler Christian Elger* erklärt, warum das
menschliche Gehirn gegenüber Sonderangeboten machtlos ist.
Herr Prof. Elger, Sie erforschen im Kernspintomografen, was im Gehirn von
Schnäppchen-jägern geschieht. Wie lässt sich denn der Kunde auf ideale
Weise zum Kauf verführen?
Das Gehirn braucht einen „Weckreiz“, den „Aha-Effekt“. Eine gleichförmige
Folge von Bildern oder viele Infos langweilen es zu sehr. Vor allem aber muss
eine Werbung Emotionen hervorrufen, etwa durch das schöne ebenmäßige
Gesicht einer Frau, ein kleines Geschenk oder eben die Rabattzeichen. Je
mehr, desto besser. Dadurch aktivieren Werber tief in unserem Gehirn das
Belohnungssystem.
Was passiert denn genau in unserem Kopf beim Anblick von Rabattschildern?
Schnäppchenwerbung wirkt in unserem Gehirn wie eine Prise Kokain.
Prozentzeichen führen zur Ausschüttung von Botenstoffen, die ein Wohlgefühl
erzeugen. Je emotionaler der Reiz, desto besser wird er im Gehirn verknüpft
und bleibt uns bestenfalls ein Leben lang in Erinnerung. Gleichzeitig sehen wir
im Kernspin-Experiment, dass bei unseren Probanden im mittleren Stirnhirn
eine Zone weniger aktiviert ist. Das Gehirn wägt nicht mehr ab: Brauche ich
den Gegenstand oder nicht?
Manche Käufer genießen ja explizit, wenn sie sich teure Dinge gönnen, und
wollen sich von Schnäppchenjägern abgrenzen. Ist denn jeder Mensch mit
Rabatten zu ködern?
Ja, da bin ich mir sicher. Auch reiche Leute, die es nicht nötig haben, sind
glücklich, wenn sie ein Paar teure Schuhe ein bisschen billiger bekommen
können.
Fördert Feilschen die Kauflust?
Handeln erzeugt im Gehirn eine hohe Nachkaufzufriedenheit. Im Kernspin-
tomografen beobachten wir, dass das Belohnungssystem beim Handeln
hochaktiv ist. Ich handle zum Beispiel immer sehr gern, und ein geschickter
Verkäufer lässt sich darauf ein.
Warum überlisten wir uns manchmal selbst, wie der Sockenversuch
verdeutlicht: Drei Paar Socken für 15 € verkaufen sich besser als das gleiche
Produkt einzeln verpackt für je 4 €?
Der Dreierpack erzeugt im Gehirn das Image des Schnäppchens. Die Areale,
in denen wir den Preis nachrechnen, sind dadurch weniger in Aktion. Bei eBay
zahlen wir daher auch oft überhöhte Preise. Einmal, weil das Gewinnen als
Höchstbietender das Belohnungszentrum extrem befriedigt. Und weil Verlieren
schmerzt. Das spiegelt sich im Gehirn in der erhöhten Aktivität der Inselregion
wider.
Werden wir zu willenlosen Konsumenten, wenn Firmen Neuromarketing künftig
noch geschickter einsetzen?
Vielleicht um 5 Prozent willenloser, als wir sowieso schon sind.
Wie kann man sich gegen die Schnäppchenverführung wappnen?
Ganz einfach: Raus aus dem Geschäft, einmal um den Block gehen oder eine
Nacht drüber schlafen. Dann hat das Frontalhirn Zeit, wieder seine
Kontrollfunktion hochzufahren.
* Der Neurologe Christian Elger leitet die Klinik für Epileptologie und das Center for Economics und
Neuroscience der Uni Bonn
Quelle: FOCUS
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